Der Begriff Femizid wird oft als Bezeichnung für Frauenmorde verwendet. Er lehnt sich an das englische Wort „homocide“ und an das lateinische Wort „femina“. Der Begriff ist nicht ganz neu: In England wurde er bereits im 19. Jahrhundert verwendet. Geprägt hat ihn aber vor allem die Sozialwissenschaftlerin und Aktivistin Diana E.Russell. Sie definierte den Begriff auch als „Tötung von Frauen durch Männer, weil sie Frauen sind“ . Somit ordnet sie diesen Begriff in einen politisch historischen Kontext. Genau deshalb verwenden wir diesen Begriff auch immer öfter: Gewalt gegen Frauen ist kein vereinzelter Mord, sondern Ergebnis einer historischen und jahrhundertelangen, patriarchalen Unterdrückung von Frauen. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten in Österreich viel bewegt hat und sich die politischen Rahmenbedingungen für Frauen massiv verbessert haben, bleiben viele Strukturen, vor allem im Privaten, bis heute bestehen und sind als gemeinsamer Umgang sozial akzeptiert.
Dieser Umgang beginnt bei sexistischen Witzen, geht über die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen und endet in der Verharmlosung von Gewalt, die zum Mord führen kann. Jede Frau die versucht aus ihrem gesellschaftlichen Korsett auszubrechen, ein unabhängiges Leben zu führen, eine toxische Beziehung zu verlassen, für ihre Rechte kämpft,… - die Liste lässt sich ewig weiterführen – muss zwangsläufig mit „gesellschaftlichen Sanktionen“ rechnen. Denn jede Frau, die aus ihrer vorgegebenen Rolle fällt, ist eine Bedrohung für die aktuelle männliche Vorherrschaft.
Frauenmorde, Femizide sind also keine „herkömmlichen" Morde: Diese Frauen wurden uns genommen, weil sie Frauen sind. Frauen, die Entscheidungen für ihr Leben getroffen haben und die einem Mann nicht gefallen haben. Zu oft werden solche Gewalttaten heruntergespielt: „Sie hätte es ja wissen müssen", „Er ist doch psychisch labil, da war doch damit zu rechnen“ oder auch „Sie brach ihm das Herz“ und ähnliches hören wir in allen Gewaltsituationen. Nein! Niemand hätte es wissen müssen. Keine Frau sollte ein Leben in Gewalt führen müssen und aus Angst, dass ihr Partner oder Vater auszuckt, sich in Zwänge drängen lassen. Diese Begründungen und die vielen Schlagzeilen, die das Problem nicht beim Namen nennen, sind Teil des Problems und verdeutlichen, wie sich die Katze in den Schwanz beißt: Unsere sexistische Gesellschaft reproduziert sich selbst. Genau deswegen ist strukturelle Unterstützung so wichtig. Genau deshalb sprechen wir auch von Femiziden.
Österreich ist EU-weit im traurigen Spitzenfeld, wenn es um die Anzahl an Femiziden geht. Zwischen 2014 und 2019 haben sich die Femizide-Fallzahlen mehr als verdoppelt und sind seither konstant hoch.
Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem. Das sind keine Einzeltaten: Gewalt gegen Frauen ist Ergebnis einer Gesellschaft, die Frauen benachteiligt, die es hinnimmt, dass Frauen schlechter bezahlt werden und im Alter in Armut – und dadurch zu oft in Abhängigkeit – leben müssen. In der Frauen zwar über die Hälfte der Bevölkerung stellen, aber in der Männer ihre Machtpositionen nicht gleichberechtigt teilen wollen. In unserer Gesellschaft müssen Frauen, die aus diesem System ausbrechen wollen, viel zu oft mit Kontrolle, Beschimpfungen, Gewalt und im schlimmsten Fall mit Mord rechnen.
Wir sind die Freundinnen, die Schwestern, die Mütter und die Omas. Wir schauen täglich aufeinander. Wir reden, begleiten und haben immer ein offenes Ohr. Wir stehen Seite an Seite gegen Gewalt an Frauen. Und dennoch müssen wir regelmäßig dabei zusehen, wie uns eine Frau von Männergewalt genommen wird. Wir wollen ein gewaltfreies Leben. Es muss sich was ändern!