„Niemals vergessen heißt, jederzeit gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus aufzutreten!“
Unter dem Motto „Niemals vergessen” versammelten sich am 1. November mehr als hundert Sozialdemokrat*innen am Wiener Zentralfriedhof, um im Rahmen des traditionellen Gedenkmarschs der Opfer des Nationalsozialismus und Austrofaschismus zu gedenken.
Eine starke Demokratie sei das Fundament, um Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu wahren und autokratischen Bestrebungen einzelner entgegenzuwirken, betonte SPÖ Wien-Landesparteivorsitzender Bürgermeister Dr. Michael Ludwig in seiner Rede: „Demokratie und Menschenrechte sind weltweit auf dem Rückzug und wir erleben einen besorgniserregenden Rechtsruck, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. In einer Zeit, in der autoritäre Regime weltweit erstarken, ist es wichtiger denn je, gemeinsam für demokratische Werte einzustehen und klare Haltung zu zeigen. Niemals vergessen heißt, jederzeit gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus aufzutreten.”
Die ganze Rede des Landesparteivorsitzenden Bürgermeister Dr. Ludwig beim traditionellen Gedenkmarsch am Zentralfriedhof am 1. November:
Geschichte zeigt, dass der Kampf für eine freie und offene Gesellschaft niemals endet
Liebe Genossinnen und Genossen. Zuallererst möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass ihr heute gekommen seid, um am Gedenkmarsch teilzunehmen. Ich möchte auch ganz besonders den Mitgliedern des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschistinnen und Antifaschisten dafür danken, dass sie nicht nur heute diesen Gedenkmarsch durchführen – sondern, dass sie bei vielen anderen Aktivitäten die Erinnerungskultur hochhalten. Und es ist eine lange Tradition, dass wir uns hier treffen beim Mahnmal der Stadt Wien.
Für die Opfer, für die Freiheit. Es ist ein Mahnmal, das vom damaligen Bürgermeister Theodor Körner am 1. November 1948 eröffnet worden ist und als Symbol dafür dienen soll, dass wir uns in Wien massiv immer gegen jede Form von Rechtsextremismus und Faschismus aussprechen. Und der Architekt Fritz Krämer und der Architekt Schütte und die Architektin Schütte-Lihohotzky haben dieses Mahnmal gestaltet.
Es ist ein Mahnmal, das in drei Figuren den Kampf um die Freiheit, die Anklage gegen den Faschismus und das Gedenken an die Opfer zeigt. An dieser Stelle haben wir bereits sehr oft der Opfer gedacht. Ich habe hier Reden gehört von Rosa Jochmann, Josef Hinels, Ernst Nedwed und vielen anderen, die dem Bund verbunden waren, aber auch der sozialdemokratischen Bewegung.
Es soll zeigen, dass wir gegen jede Form von Faschismus auftreten. Das sehen wir auch an diesen Gedenktafeln, die im Boden eingelassen sind. Die erinnern an den Austrofaschismus, die erinnern an das NS-Regime und die furchtbaren Opfer, die es in diesen Zeiten gegeben hat in den beiden Faschismen von 1934 bis 1945.
Und warum ist es so wichtig, dass wir den Opfern gedenken und den Kampf gegen den Faschismus fortsetzen?
Gründe für den internationalen Rechtsruck
Weil es auch heute notwendiger denn je ist, sich damit auseinanderzusetzen, dass es international autoritäre, rechtsextreme Strömungen gibt. Wir erleben einen Wahlkampf in den USA, wo ein Kandidat antritt, der vor wenigen Jahren einen Sturm aufs Kapitol organisiert hat und damit ein Wahlergebnis einer demokratischen Wahl nicht akzeptiert hat und auch bereit war, mit seinen Unterstützern bewaffnet gegen ein solches Wahlergebnis vorzugehen.
Wir sehen Wahlergebnisse in europäischen Ländern, in Frankreich, in Italien, in den Niederlanden, in Finnland, auch in Deutschland, zuletzt auch in drei Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, wo eine rechts-orientierte Partei ganz stark geworden ist. Und wenn man sich fragt, warum das so ist, dann hängt das zweifellos damit zusammen, dass wir in dieser Zeit viele Krisen erleben, die sich zum Teil überlappen.
Und die Rechtspopulisten organisieren den Zorn, bündeln ihn zur Wut, sind aber nicht in der Lage, Lösungen für Herausforderungen zu finden. Das ist der Unterschied zwischen jenen rechtsorientierten Parteien und uns, wo wir erkennen, dass es Herausforderungen gibt, aber auch Lösungen anbieten. So wie das in Wien in der Ersten Republik war und so wie das auch jetzt bei uns in Wien in der Zweiten Republik gehandhabt wird.
Leider ist es so, dass diese internationale Bewegung der Rechten auch in Österreich einen starken Ausgangspunkt hatte. Ich kann mich noch gut erinnern an die Ambitionen Jörg Haiders Mitte der 80er Jahre, der auch in einem Buch festgelegt hat, wie die Grundsätze einer Dritten Republik auszusehen haben. Vieles davon finden wir heute auch in Regierungen europäischer Länder, nicht zuletzt auch in Ungarn.
In einer Regierung, die von Orban geleitet wird, der erst gestern in Wien war und dort eine Erklärung unterzeichnet hat zwischen Ungarn und Österreich - eine Erklärung, die seitens Österreich aber nicht ein Vertreter, eine Vertreterin der österreichischen Bundesregierung unterzeichnet hat, sondern der Parteivorsitzende der FPÖ, Vorsitzender einer Partei, die mit 28 % in Opposition ist und sich anmaßt, für die Republik Österreich zu sprechen und eine Erklärung zu unterschreiben im Namen Österreichs.
Demokratieverständnis rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien
Das heißt, diese rechts orientierten Parteien nehmen sich heraus, wenn man so will, für das ganze Volk zu sprechen, ohne dass es eine demokratische Legitimation gibt. Das ist kein Zufall, wenn man sich die vielen Publikationen anschaut, wo das ja auch festgelegt wird, wo in einer Sprache, die wir aus der Vergangenheit kennen, beispielsweise Begriffe verwendet werden, wie Systempresse oder Volkskanzler, wo andere politische Mitbewerber abgekanzelt werden oder ganz gezielt gegen die Interessen von Minderheiten, Frauen vorgegangen wird.
Daher ist es wichtig, dass wir deutlich machen, dass wir das nicht akzeptieren und dass wir darauf hinweisen, unterstützt auch von jenen Einrichtungen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen. Ich denke dabei an das Mauthausen Komitee, an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, die die vielen sogenannten „Einzelfälle“ der FPÖ, akribisch aufgelistet haben.
Und angesprochen, ob er rechtsextreme Organisationen oder Personen kennt, hat der Parteivorsitzende der FPÖ gemeint: Nein, er kennt keine. Was deshalb merkwürdig ist, weil die Identitären ganz eng verbunden sind mit der FPÖ und auch vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Daher ist die Aussage vom Parteivorsitzenden Herbert Kickl eine, die deutlich macht, dass sich die FPÖ auch ganz stark mit diesem rechtsextremen Gedankengut identifiziert.
Die FPÖ ist keine rechtspopulistische Partei – sondern eine rechtsextreme Partei
Und ich habe schon am Parteitag 2019 gesagt: Die FPÖ ist keine rechtspopulistische Partei, das ist eine rechtsextreme Partei. Wir sehen das bei vielen Aktivitäten, Publikationen und Reden, die von Mitgliedern der FPÖ gehalten werden. Und ich kann mich noch gut erinnern, wie der Präsidentschaftskandidat der FPÖ, Norbert Hofer, mal gemeint hat „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich sein wird.“ Und wir erleben das jetzt fast täglich, was aus der FPÖ herauskommt. Und da kann nur herauskommen, was auch wirklich drinnen ist.
Und deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, sage ich, es kann für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keine Koalition mit dieser Partei geben, nicht mit dieser FPÖ, die deutlich macht mit so vielen Einzelfällen, wo sie politisch steht.
Und ich hoffe, dass das nicht nur alle in der Sozialdemokratie so sehen. Denn es ist auch entsprechende Beschlusslage bei uns in Wien, selbstverständlich aber auch auf Bundesebene, sondern dass das auch bürgerliche Parteien erkennen, dass es sich nicht zum Steigbügelhalter machen sollten einer Partei, die ganz stark an die Wurzeln unserer demokratischen Grundordnung gehen. Das sind nicht politische Mitbewerber wie andere, sondern die haben wirklich vor, unseren Staat, unsere Gesellschaft zu ändern.
„Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kann es keine Koalition mit dieser Partei geben - nicht mit dieser FPÖ, die deutlich macht mit so vielen ‚Einzelfällen‘, wo sie politisch steht.“
Bürgermeister Dr. Michael Ludwig
Landesparteivorsitzender der SPÖ Wien
Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte auf europäischer Ebene essenziell, um autokratischen Bestrebungen entgegenzuwirken
Und wenn wir sehen, dass es in anderen europäischen Ländern auch so ist, dann muss uns das eigentlich motivieren, dass wir als eine internationalistisch orientierte Partei auch das gemeinsame Europa in den Vordergrund rücken. Nämlich: Welches Interesse gibt es außerhalb der Europäischen Union, diese zu zerstören und innerhalb der Europäischen Union das gemeinsame Europa zu zerstören? Es ist mittlerweile ziemlich offenkundig, dass es starke finanzielle Ströme gibt von anderen Ländern außerhalb der EU zu rechtsorientierten Parteien, um von innen heraus die gemeinsame europäische Linie zu zerstören.
Und wir werden im internationalen Wettbewerb nur bestehen können, wenn wir gemeinsam auftreten - gemeinsam in wirtschaftlichen Fragen, aber auch gemeinsam in demokratiepolitischen Fragen. Denn wir leben in Europa in den meisten europäischen Ländern in einer demokratischen Ordnung, die beispielhaft ist, die wir auch in Zukunft leben wollen und die wir nicht tauschen wollen gegenüber autoritären Regimen, die ganz stark interessiert sind, dieses gemeinsame Europa zu zerstören.
SPÖ Wien - das Bollwerk gegen jede Form von Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus
Von daher, liebe Genossinnen und Genossen, danke ich euch fürs Kommen. Ich danke auch den Jugendorganisationen: der Sozialistischen Jugend, der Jungen Generation, der AKS, dem VSStÖ, der Gewerkschaftsjugend, den Kinderfreunden und den Roten Falken. Dafür, dass sie auch mit einem machtvollen Fahnenblock zeigen, dass sie auch jene sind, die uns innerhalb der SPÖ unterstützen, wenn es darum geht, gegen faschistische Strömungen aufzutreten.
Abschließend noch zur Begrüßung von dir, lieber Gerald, ich bedanke mich auch für deine unermüdliche Tätigkeit als Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschistinnen und Antifaschisten. Ja, auch ich bin sehr unzufrieden mit dem Ergebnis der Nationalratswahl. Aber es hat schon den Lichtblick gegeben, dass Wien als einziges Bundesland mit einer starken SPÖ Mehrheit dazugewonnen hat. Auch das einzige Nationalratsmandat dazugewonnen hat.
Liebe Genossinnen und Genossen! Ich kann euch versprechen: Wir werden, so wie auch in der Vergangenheit, das Bollwerk sein gegen jede Form von Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus.
In diesem Sinne niemals vergessen. Ein herzliches Freundschaft! Ein herzliches Glückauf!
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